Fasse dich kurz – Telefonieren in der DDR

Von Klingelfeen und Stöpselmiezen, eisernen Jungfrauen und Roten Telefonen, von ungewöhnlichen Telefonaten und gewagten Verbindungen. Das Fernsprechwesen – es entwickelt sich. Nur nicht so, wie Millionen DDR-Bürger es sich erhoffen. Auf ein Telefon warten manche länger als auf einen Trabi. Und viele bekommen nie eines. 1989 zählt man gerade elf Anschlüsse auf 100 Bürger. 95 Prozent der Ortsvermittlungstechnik tut schon seit 60 Jahren Dienst.

Die sonst so medaillenverliebte DDR hat hier eindeutig die rote Laterne. Am Anfang stöpseln noch die legendären Fräuleins vom Amt die raren Verbindungen, flicken wagehalsige Entstörer die blanken Leitungen, stehen Schlangen vor ewig kaputten Münzfernsprechern. Weil die Verbindungen der Post nie ausreichen, entstehen mindestens 23 nichtöffentliche Fernmeldenetze – für die Stasi, das Militär, die Kombinate …

Störungen im öffentlichen Netz stehen an der Tagesordnung und einheitliche Vorwahlnummern gibt es nicht. Doch wer endlich einen privaten Anschluss bekommt ist glücklich und nimmt auch in Kauf, den Anschluss mit bis zu vier „Teilnehmern“ zu teilen. Und mit gigantischem Aufwand hört dann manchmal auch die Stasi mit. Telefonieren in der DDR. Ein langer Weg vom „Fasse dich kurz“ bis zum „Ruf mal an“. Von der Stunde Null im Frühjahr 1945, als die Sieger die letzten Leitungen kappten, bis zu den Piratenstreichen der Wendezeit reicht der Bogen einer Geschichte, über der, wie überall in der DDR, der Satz steht: Not macht erfinderisch.

Leidgeprüfte „Teilnehmer“ oder solche, die es endlich werden wollten, gestandene Postler aus Mühlhausen, Leipzig und Dresden, der letzte Postminister, Günter Schabowski und viele andere berichten über große Probleme und kleine Schritte beim Telefonieren in der DDR.

Film von Jörg Mischke

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Beim herumstöbern durch das Internet bin ich schon vor einigen Jahren auf diesen Radiomitschnitt der rbb-Jugendwelle Radio Fritz und dem Format Chaosradio gestossen. Das Thema der im Frühjahr 1997 ausgestrahlten Hörertalk-Sendung war Ost-Technologie im weitesten Sinne. Also hauptsächlich auch Computer und Telefonie. Hier berichtete ein Hörer über seine aktive Zeit als Telefontechniker in den letzten Jahren der DDR und den damit verbundenen Erfahrungen. Die Aussagen decken sich mit denen des Filmes, es gibt aber noch die eine oder andere lustige Anekdote.

Ausschnitt aus dem Chaosradio 16 – Ost-Technologie (30.04.1997, Radio Fritz)

2 Gedanken zu „Fasse dich kurz – Telefonieren in der DDR

  1. Interessant zu wissen, dass man in der DDR auf den Telefonanschluss länger als auf einen Trabi warten musste. Mein Onkel möchte sich nach der Geschichte der Telefonie in der DDR für ein Geschichtsprojekt erkundigen. Er findet es kaum zu glauben, dass man damals auf den Telefonanschluss länger als auf einen Trabi warten musste.

    • Man muss dazu sagen, dass die Verknappung der Telefonanschlüsse anders als bei einem Industriegut (z.B. Auto) in der DDR nicht auf allein auf die Ressourcenknappheit zurückzuführen ist. Zumindest bei den privaten Telefonanschlüssen hatte die Regierung auch überhaupt kein Interesse, dass die Bürger viel telefonieren können. Das Kommunikationsmedium Telefon hat für die Regierung auch die Gefahr der Konspiration der eigenen Bürger gegen den eigenen Staat, gegen sie selbst bedeutet. Die wenigen Telefonleitungen, die in die damalige Bundesrepublik gingen, wurden prinzipiell immer abgehört und protokolliert. Noch mehr Haushaltsanschlüsse hätten im Zweifel noch mehr private Gespräche bedeutet – und damit mehr Aufwand und mehr Personal bei operativen Überwachungsmaßnahmen durch die Staatssicherheit.

      Aber ich bin leider kein Historiker.

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