Sehr lange in die 1990er Jahre hinein hatten wir zu Hause noch kein Kabel- oder Satellitenfernsehen. Stattdessen beschränkte sich die Programmvielfalt auf Das Erste, dem Zweiten Deutschen Fernsehen, sowie auf die dritten Programme N3 – heute NDR – und dem Mitteldeutschen Rundfunk. Dies führte dazu, dass ich im Alter von acht neun Jahren damit begann, die zwanzig Uhr fünfzehn Tagesschau der ARD gemeinsam mit meinem Eltern fast täglich zu schauen. Es war in etwa die Zeit, in der ich auch die Umwelt außerhalb meines Freundes- und Familienkreises, sowie politische Themen begann wahrzunehmen. Dies hat meine heutige Haltung für den Öffentlich-rechtlchen Rundfunk deutlich geprägt.
Im Jahr 2006 habe ich durch eine Verkettung zufälliger Ereignisse das Format des Talk-Radios im öffentlichen Rundfunk für mich entdeckt. Dort ist für mich unter anderem Radiomoderator Holger Klein die qualitative Speerspitze des Hörfunks. In seinem seit bereits acht Jahren von ihm selbst produzierten Podcast-Format WRINT („Wer redet, ist nicht tot“) hatte er am 03. Juli die zweite Folge einer Mini-Serie veröffentlicht, in der er die Auslandskorrespondentin und inzwischen Leiterin des ARD-Studios in London, Annette Dittert, über ihr Leben auf einem kleinen Hausboot und des zum Zeitpunkt der Sendungsaufnahme aktuellen Stands zum Brexit ausgefragte. Dieses fast einstündige Gespräch hat mich absolut berührt. Denn hier hat sich die subjektive Sicht einer Journalistin, die im wesentlichen hauptberuflich damit beschäftigt ist, Nachrichten und Reportagen so wertneutral wie möglich zu analysieren und einzuordnen, mit der lockeren Podcast-Atmosphäre getroffen. Ich hatte bei den Gespräch wirklich das Gefühl, dass sich hinter den Berichterstattern der ernsten Nachrichten – wie ich es mal nennen möchte – die Menschen, die sonst nur die Geschichten für den als Fernsehzuschauer anderer fremder Menschen in fernen Regionen dieser Welt zu Wort kommen lasen, auch mal über die eigene Gechichte und Sicht etwas erzählen können und dürfen.
In bisher weiteren erschienenen Folgen sprach Holger Klein mit folgenden Korrespondenten:
Folge WR941: Anne-Katrin Mellmann im ARD-Studio Mexico-Stadt über Venezuela
Folge WR969: Axel Dorloff in Peking über China
Folge WR982: Benjamin Hammer in Tel Aviv über Israel
Im übrigen hatten wir 1995 zu Hause – etwa ein halbes Jahr bevor wir entgültig aus der Erfurter Innenstadt auszogen – durch den Bauherrn und -leiter ein Satelittenantenne zur Verfügung gestellt bekommen, womit sich unter anderem auch die gesamte Welt des kommerziellen, werbefinanzierten Fernsehens uns entgültig erschloss. Egal wie quantitaiv oder qualitativ begrenzt das Fernsehprogramm manchmal dann auch mal war, ich habe dennoch immer viel Fernsehen geschaut. Und der Empfang von MTV-Europe und kurze Zeit später von VIVA und VIVA 2 waren für mich die eigentliche Offenbarung was dem Empfang von Bewegtbildern betraff.