Die Betonmauer ist ja schon einmal Weg!

Egal ob man die Zeitung aufschlägt oder das Radio beziehungsweise den Fernseher einschaltet. Mit Sicherheit wird man heute wie auch schon in den letzten Tagen mit einer Frage konfrontiert werden: „Wo waren Sie, als die Mauer fiel?“ Da ich vor genau zwanzig Jahren mit meinen Sieben Jahren gerade erst mal ABC-Schütze war, so kann ich die Frage für mich selber sehr einfach beantworten.

Persönlich empfand ich die damalige Zeit und die damit verbundenen Ereignisse als sehr verwirrend. Wurde doch uns Kindern nur wenige Monate zuvor im Kindergarten noch das Huldigen einer Armee gelehrt deren Aufgabe es sein sollte den Frieden in unseren Land zu sichern. Es gab ja schliesslich offiziell nur ein befreites Deutschland.
Doch plötzlich schwebte nur ein paar Wochen nach unserer Schuleinführung ein Schlagwort in unserem Klassenzimmer: Der „Westen“. Ausgelöst durch die Information über die Ausreise eines langjährigen Kameraden mit seiner Familie aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland, der uns schon im Kindergarten begleitete. Dieses Ereignis sollte wohl in mir das Wissen über die Existenz einer anderen Realität auftun. Eine Realität, welche wohl auch unter anderem deutsch sein musste. Sonst hätte es in meinen kindlichen Augen auch keinen Sinn ergeben, dass man dahin Ausreisen möchte. Eine Realität, die eine Himmelsrichtung als Synonym bekam für das Abendland dass eigentlich auf andere Gesellschaftsformen baute. Da meine geographischen Kenntnisse – und ich denke die meiner Mitschüler auch – in diesem Alter noch völlig Unterentwickelt waren, waren wir durchaus geneigt dieses Synonym wie das des Osten in unseren aktiven Sprachschatz aufzunehmen, genauso wie es sowohl die Generationen vor uns taten, als auch die die nach uns kommen sollten. Wir taten es ohne auch nur die Doppeldeutigkeit dieser Begriffe in unser Bewusstsein zu rücken.
Dadurch dass meine Familie mit mir nur wenige Wochen nach der Grenzöffnung an einem Dezembertag einen Tagesausflug in eine Nordhessische Großstadt unternahmen, wurde durch den Kontrast ersichtlich, dass es sich dabei um eine Initialzündung für weitere folgenreiche Umwälzungen gehandelt hat, die unter anderem persönliche Möglichkeiten ergaben, die zuvor in dem Umfang nicht möglich gewesen wären.

Was mir letztendlich um den derzeit wieder aufgeblähten Hype um den Fall des Eisernen Vorhang und der damit verbundenen Deutschen Wiedervereinigung unangenehm aufstösst, ist die Verwendung des Begriffes der Revolution. Sicherlich war diese Revolution eine friedliche Revolution, denn das Volk hat durch sein Aufbegehren gegen die Staatsobrigkeit die wichtigen Ziele wie eine Reise- oder Pressefreiheit erwürgen können. Stattdessen ist der Anspruch an eine Revolution wie ihn einst Rudi Dutschke formulierte und durchaus von der formierten Opposition in der DDR als Reformen angestrebt wurde mit den Worten: „… Revolution ist ein langer, langandauernder Marsch und Prozess um die Schaffung von neuen Menschen die fähig sind nicht eine Clique durch eine andere zu ersetzen nach der Revolution, sondern massenhaft Demokratisierung von unten – bewusste Produzentendemokratie entgegen zusetzen bürokratischer Herrschaft von oben.“ nicht Erfüllt. Denn letztendlich wurden überspitzt ausgedrückt in den neu entstanden Bundesländern auch wieder nur andere Cliquen unter dem Deckmantel einer souveränen Demokratie zur Obrigkeit gekürt. Gingen die Menschen also wirklich für mehr Freiheit und Demokratie auf die Straße oder war einfach nur der Wunsch nach etwas mehr Belohnung überfällig?