Wählen

Als ich im März 2008 dieses Blog gestartet habe, war dies eine späte Reaktion auf meine Wahlbeobachtung zur Wahl des hessischen Landtags, bei der einige vereinzelte Gemeinden statt des klassischen Wahlverfahrens mit Stimmzettel, Stift und Urne auf Wahlcomputer der niederländischen Firma Nedap gesetzt haben. Der Einsatz von Wahlcomputern war sowieso ein Phänomen, welches man zu diesem Zeitpunkt schon über viele Jahre vermehrt beobachten konnte. Ich kann mich noch an die Berichterstattung zur US-Präsidentschaftswahl im November 2000 erinnern, wo es durch den Einsatz von „Wahlmaschinen“ im US-Bundesstaat Florida zu Unregelmäßigkeiten kamen und letztendlich Stimmen neu ausgezählt werden mussten, die über eine hauchdünne Mehrheit entschieden. Ich habe mir bereits damals schon gedacht: Die Maschinen versuchen ein Problem zu lösen, dass es gar nicht gibt. Stattdessen sorgen Sie dafür, dass die Transparenz der Stimmenauszählung und damit die Nachvollziehbarkeit des Wahlvorgangs zunichtemacht. Die USA sind aber zum Glück tausende Kilometer entfernt und obwohl ich damals nur wenige Monate zuvor wahlberechtigt geworden bin, sollte es noch eine Weile dauern, bis ich selber meine Stimmen für Kandidaten abgeben durfte.

Im Jahr 2006 bin ich dann durch eine Verkettung unglücklicher Umstände bei einer Internet-Recherche auf das Chaosradio des Chaos Computer Club Berlins gestoßen, welches den Anspruch hat, Technik- und netzpolitische Themen einigermaßen einem Breitenpublikum nahezubringen und jeweils einen entsprechenden öffentlichen Diskurs zu beginnen. Das Chaosradio fand seinerzeit in einer fast monatlichen Sendung bei Radio Fritz, der Jugendwelle des Rundfunks Berlin-Brandenburg statt. Im Herbst desselben Jahres hatte das Chaosradio in einer Sendung dann sogar aus gegebenem Anlass die Wahlcomputer als Thema. Wie sich dann nämlich in der Sendung herausstellte, wurden zur Bundestagswahl 2005 bereits 2000 Nedap-Wahlcomputer angeschafft und eingesetzt. Auch bei der Kommunalwahl 2006 wurden diese Geräte wieder eingesetzt. Waren die in Deutschland nur von einzelnen Gemeinden angeschafften Geräte zahlenmäßig nur eine Randerscheinung, hatte bereits Irland im Jahr 2003 7500 dieser Wahlmaschinen für 50 Millionen Euro für den landesweiten Einsatz zwar angeschafft. Diese kamen aber wegen massiver Sicherheitsbedenken nie zum Einsatz. Ganz anders aber in den Niederlanden, dem Land mit dem Unternehmenssitz von Nedap. Hier kam es auch durch den bereits flächenweiten Einsatz der Geräte im Jahr 2006 zu konkreten Wahlfälschungen bei Kommunalwahlen. Somit war der Einsatz der Wahlcomputer in den Niederlanden bereits ein kritisches Thema bei den niederländischen Mainstream-Medien. In Deutschland wurden zu dieser Zeit auch schon mehrere Wahlprüfungsverfahren gegen den Einsatz der Nedap-Wahlcomputer bei der Bundestagswahl 2005 erhoben, welche seit Februar 2007 vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig waren. – Und wie zu Beginn bereits erwähnt, standen im Januar 2008 die hessischen Landtagswahlen an, wo einige der Nedap-Wahlcomputer zum Einsatz kamen und mich veranlassten, auch als Wahlbeobachter in einer der betroffenen Gemeinden ins Feld zu gehen. – Aus Partei-politischen Gründen kam es aber nach der Wahl zu keiner Regierungsbildung in Hessen und die Wahl musste genau ein Jahr später wiederholt werden. Die Gemeinden, die ein Jahr zuvor sich von den Geräten organisatorisch verheißungsvolle Vorteile versprachen, sahen dann von dem Einsatz dieser wieder ab, da sie sich nicht erneut dem Medienrummel rund um den Chaos Computer Club ausgesetzt sehen wollten.

Für Februar 2008 plante Hamburg für die Bürgerschaftswahl einen sogenannten „Digitalen Wahlstift“. Dieser kam aber aufgrund von Sicherheitsbedenken und einer Expertenanhörung nie zum Einsatz. Am 3. März 2009 wurde eine Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht veröffentlicht, wodurch der Einsatz der Nedap-Wahlcomputer in Deutschland als verfassungswidrig erklärt wurden. Seither gab es in Deutschland meines Wissens keine erneuten Bestrebungen mehr, das Wahlverfahren mit Stift, Stimmzettel und dem händischen Auszählen dieser durch irgendein elektronisches oder maschinelles Wahlverfahren zu Ersetzen.

Die Gründe, die gerne immer für den Einsatz von Wahlcomputer ins Feld gebracht werden, sind zum einen der Modernitätsgedanke, der besagt, dass in der heutigen Zeit, bei der viele Lebensbereiche und Aufgaben durch Computer bereits unterstützt oder ersetzt werden, auch demokratische Wahlverfahren unbedingt mit Computern vollzogen werden sollten. Der andere und zweite Grund ist dann immer die Argumentation gewesen, dass durch einen Computer oder Maschine der aufwendige Prozess des manuellen Auszählens beschleunigt wird und der Wahlvorstand eines Wahllokals recht schnell das Ergebnis an das Wahlamt übermitteln kann. Es ist richtig, wenn recht schnell ein Ergebnis ermittelt ist, ist das weniger Arbeitszeit und ein Wahlvorstand kann schnell nach Hause. Allerdings findet dabei aber kein Prozess des Auszählens mehr statt, sondern es wird lediglich durch das Drücken weniger Knöpfe ein durch das Gerät ermitteltes Ergebnis präsentiert ohne nachvollziehen zu können, wie das Gerät auf dieses Ergebnis gekommen ist. Nur soll das der Modernitätsgedanke sein, dass damit wir früher nach Hause gehen können, die Nachvollziehbarkeit einer demokratischen Wahl aufgeben und vertrauen, dass die Maschine richtig gerechnet hat? Die Wahl und die Möglichkeit, dass wir sowohl die Wahl, als auch das Ermitteln der Wahlsieger öffentlich nachvollziehen können, ist eine Fertigkeit, für die es tausende Jahre und etliche Staatsformen benötigt hat. Die einzige Alternative, die wir haben, damit diese Geräte nicht zum Einsatz kommen, sind genügend Wahlhelfer, die freiwillig auch weiterhin sonntags bis spät in den Abend sich die Zeit nehmen, um die Stimmzettel auszuzählen.

Nachdem im Jahr 2009 das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Nedap-Wahlcomputer nun erklärt hatte und keine Gemeinde bis jetzt auf ähnliche Geräte gesetzt haben, habe ich dennoch, wenn sich die Gelegenheit ergab, mir die Zeit gegönnt, die Stimmauszählung von Wahlen in einem Wahllokal anzuschauen.

Jetzt kann ich auf die Wahlcomputer so viel schimpfen und dagegen Aggitieren wie ich will, besser wäre es doch, wenn ich mich dann am besten auch als Wahlhelfer melde und mitmache. Aber wie es so ist, erst war ich durch meine Schichtarbeitszeiten immer irgendwie verhindert, dann hatte ich eine sehr lange Krankheitsphase, darauffolgend war ich einige Jahre durch meine berufliche Reha die meiste Zeit im Raum Regensburg gebunden und in den letzten Jahren hat mich meine berufliche Arbeit erst einmal wieder zunehmend vereinnahmt. Letztlich durch die mangelnde Freizeitmöglichkeiten, die die Corona-Pandemiemaßnahmen mit sich brachten, konnte ich mich zu Beginn des Sommers auf mein Vorhaben zurückbesinnen, mich als Wahlhelfer zu melden und mich so wieder ein bisschen ehrenamtlich zu betätigen. Deswegen habe ich mich nun endlich auch mit der Bundestagswahl am 26. September 2021 zum Wahlhelfer gemeldet. Für meinen ersten Einsatz als Wahlhelfer habe ich mich für den Einsatz in einem Wahllokal entschieden und es hat ehrlich gesagt sehr viel Spaß gemacht und ich wurde mit meinen Erwartungen nicht enttäuscht. So habe ich auch praktisch erfahren, wo genau die Tücken bei der Auszählung der Stimmen und der damit verbundenen Überprüfung des Wahlergebnisses auf Plausibilität liegen. – Ich freue mich schon auf die nächste Wahl!

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