Nachdem im vergangenen Herbst beim Ausmustern und Entrümpeln alter IT-Hardware noch ein externes SCSI-Gehäuse mit einer 3,5″ Festplatte durch meine Hände gewandert ist, hat in der Woche vor den Weihnachtsfeiertagen tatsächlich eine SCSI-Festplatte im Formfaktor 5,25″, voller Bauhöhe – also die Höhe von zwei übereinander gestapelten CD/DVD-Laufwerken – den Weg zum Elektroschrott gefunden.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die Firma Quantum Corporation im Jahr 1996 mit der Festplattenreihe Quantum Bigfoot Laufwerke zu niedrigen Preisen für die IDE-/ATAPI-Schnittstelle mit höheren Speicherkapazitäten in den Markt eingeführt hatte. Man wollte damit auch gezielt dem niedrigpreisigen PC-Markt Festplattenlaufwerken mit höherer Speicherkapazität anbieten. Das erste Modell im Frühjahr 1996 hatte eine Speicherkapazität von 1,2 Gigabyte. Bis in die späten 1990er Jahre wurden Laufwerke mit Kapazitäten von bis zu 19,2 Gigabyte angeboten. Die Laufwerke konnten deshalb zu deutlich niedrigeren Preisen produziert werden, da Quantum die Kapazitäten je Laufwerk dadurch erhöhte, in dem sie nicht die Datendichte auf den Plattern erhöhte, sondern aus dem bereits fest etablierten 3,5″ Formfaktor wieder auf den 5,25″ Formfaktor für diese Modellreihe wechselte. Dadurch wurde einfach die physische beschreibbare Fläche je Platter-Seite bei gleicher Datendichte wie die der 3,5″ Laufwerke vergrößert und es können so mehr Daten gespeichert werden. Die Höhe dieser 5,25″ Laufwerke wurde aber auf die der 3,5″ Laufwerke belassen, sodass sie im Gegensatz zu den 5,25″ Festplattenlaufwerke in den 1980er Jahren noch nicht mal die Höhe dieser mit halber Bauhöhe erreichten und in die moderneren PC-Gehäuse auch eingebaut werden konnten. Allerdings erreichten die Laufwerke der Quantum Bigfoot Serien eher nur unterdurchschnittliche Leistungswerte, da die Umdrehungsgeschwindigkeiten mit etwa 3600 U/min zu Anfangs gering und die Zugriffszeiten recht groß waren. Außerdem waren sie laut. Zumindest bei Laufwerken mit IDE-/ATAPI-Schnittstelle war Quantum der einzige Laufwerkshersteller, der diesen Weg zurück zu physisch größeren Laufwerke für einige Zeit ging.
Als mir Mitte Dezember letzten Jahres aber dann diese 5,25″ SCSI-Festplatte mit voller Bauhöhe in die Augen fiel, war für mich schon sehr auffällig, wie modern und hochintegriert die Platine für die Steuerelektronik wirkte. Es kann sich also auf alle Fälle nicht um ein Laufwerk handeln, welches aus der ersten Hälfte der 1990er oder gar aus den 1980er Jahren stammt. Die Platine wirkt auch deutlich hochwertiger als die der IDE-/ATAPI-Laufwerke aus den 1990er Jahren. Die Wide-SCSI Schnittstelle wurde mit dem SCSI-2 Standard bereits ab 1989 spezifiziert, Laufwerke mit 68-Pin Controller-Kabel waren aber erst ab 1995 verfügbar. Meine Recherche über das Modell ergab, dass es sich um eine Seagate ST446452W mit einer Speicherkapazität von 62 Gigabyte unformatierter, beziehungsweise 47 Gigabyte formatierter Speicherkapazität handelt. Neben der 68 Pin Ultra SCSI-Schnittstelle besitzt das Laufwerk einen 4.096 Kilobyte großen Cache und arbeitet mit einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 5.357 U/min. Bei meiner Recherche bin ich auf ein Support-Dokument für dieses Festplattenmodell gestoßen, dessen erste Version im Februar 1998 durch Seagate veröffentlicht wurde. Leider konnte ich aber bisher keine Informationen darüber finden, zu welchen Preisen diese Festplatte bei Markteinführung angeboten wurde. Da der Straßenpreis einer Seagate ST19171N mit einer Speicherkapazität von 9,1 Gigabyte formatiert im Herbst 1997 noch bei etwa 2049,- DM lag, mag man sich nicht ausmalen, wie viel dieses 47 Gigabyte-Laufwerk bei Markteinführung zu dieser Zeit gekostet haben mag.
Prinzipiell muss man wohl konstatieren, dass es in einem Enterprise-Markt für große Speichersysteme wohl Bedarf für Anwendungsfälle gegeben haben muss, dass Seagate dazu veranlasste im Jahr 1997/98 ein Laufwerk mit 47 Gigabyte anzubieten. Allerdings war es zu der Zeit nicht möglich, Laufwerke mit einer auch nur annähernden hohen Speicherkapazität im 3,5″ Formfaktor zu produzieren. So war Seagate also gezwungen, wieder auf den Formfaktor 5,25″ und voller Bauhöhe auszuweichen.
Bei dem Laufwerk, welches nun bei uns im Elektroschrott landete, war jemand schon lange zuvor so neugierig gewesen, dass der Deckel des Laufwerks aufgeschraubt wurde, um das Innenleben zu Gesicht zu bekommen. Sowohl die Schrauben für die Gehäuseabdeckung, als auch das Staubfilterkissen für den Luftdruckausgleich fehlen bereits und die Platter haben auch schon gut Staub angesetzt. Letztlich mangels eines 68-Pin-Kabels ist es also auch keine gute Idee mehr, zu versuchen dieses Laufwerk nochmals in Betrieb zu nehmen. Ich bin aber aktuell immer noch auf der Suche nach einem wirklich schönen Plätzchen, wo sich dieser jetzt historische Datenträger als Ausstellungsstück gut macht.
Update 14. März 2022 20:51 Uhr:
Gestern habe ich mal wieder in Bezug von Festplatten im deutschen Wikipedia-Artikel etwas recherchiert und gestöbert. Das Gute am deutschen Wikipedia-Artikel zum Festplattenlaufwerk ist, dass es im Abschnitt zur Geschichte eine Tabelle über die ‚Entwicklung der Speicherkapazitäten der verschiedenen Baugrößen‘ gibt. In dieser Tabelle wird die Seagate ST446452W als letzten Meilenstein in der Entwicklung von 5,25″-Laufwerken genannt. Aus der Tabelle ist heraus zu lesen, dass nach dieser keine weiteren Festplattenmodelle im 5,25″-Format mehr entwickelt wurden. Als Quelle für die ST446452W wird dazu noch auf eine heise-Online-Meldung vom 14. November 1997 verwiesen. In dieser hieß es, dass Seagate schon Testexemplare der Festplatte mit Veröffentlichung der Meldung begann auszuliefern, die Produktion größerer Stückzahlen startete dann ab dem 1. Quartal 1998. Als Preis gab Seagate 2995,- US-Dollar für ein Laufwerk an. Ich habe also dann mal recherchiert, wie der durchschnittliche Wechselkurs von US-Dollar zur Deutschen Mark im Januar 1998 war und bin bei etwa 1,814 DM je US-Dollar auf einen theoretischen Kaufpreis von 5435.70 DM gekommen. Für knapp 5500,- DM einschließlich Mehrwertsteuer hat man als Endverbraucher entweder einen sehr hochwertigen PC als reine Zentraleinheit ohne Peripherie oder ein gutes, recht umfangreiches Komplettpaket bekommen.
Links:
- 5,25″ Seagate ST446452W Festplatte (eigene Fotogalerie)
- Fundstück – Externe SCSI-Festplatte (eigener Blogbeitrag)
- Quantum Bigfoot (engl. Wikipedia)
- Small Computer System Interface (engl. Wikipedia)
- Chronologische Übersicht zur Entwicklung von Festplattenlaufwerken (dt. Wikipedia)
- Festplatte mit 47 GByte (heise Online-News vom 14. November 1997)