Social Distancing und das Sandmännchen

Die Korona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei und Abstandhalten – oder wie es seit der Korona-Krise als ‚Social distancing‘ bezeichnet wird – ist nach wie vor oberstes Gebot. Einer der mit großem Beispiel dabei voran schreitet, ist unser Sandmännchen. Dieser fliegt extra mit einem Mondauto in einer Rakete auf den Mond, um dort seinen Abendgruß via Telekonferenz in die Kinderzimmer zu senden. Aber wie viel Distanz ist es, wenn man vom durchschnittlich 300.000 Kilometer entfernten Erd-Trabanten in die Kinderzimmer Einblick bekommt?

https://www.youtube.com/watch?v=_w_KjcoXfaM
Quelle YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=_w_KjcoXfaM

Nebenbei sei erwähnt, dass radioeins vom RBB einigen Puppengeschichten des Sandmännchens eine Stimme gegeben haben, daraus den ‚Sandmann für Erwachsene‘ kreiert haben und ihn ein wenig damit durch den Kakao ziehen.:

Quelle YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=kUIISpK8a6g&list=PL_yAXNIcOv_GXNOqstXAD1EjbEGkGuQZG

Der Fall der Berliner Mauer

Ich mache mir normalerweise nichts aus Jubiläumstagen irgendwelcher zeitgeschichtlichen Ereignisse, aber vor etwa einem halben Jahr habe ich mir im Fernsehen die zum 25. Jahrestag des Mauerfalls der DDR-Grenzen produzierte Tragikomödie „Bornholmer Straße“ angesehen. Der Film an sich ist relativ durchschnittlich, eine Mischung aus zeitgeschichtlicher Historie gepaart mit ein wenig Situationskomik und DDR-Klamauk im Stil von ‚Sonnenallee‘ oder ‚Helden wie Wir‘. Letztendlich hat der Film etwas ganz anderes in mir ausgelöst. Er hat mich nämlich an dem Wochenendtrip von ein paar Freunden und mir nach Berlin zur ‚Freiheit statt Angst‘- Demonstration im August 2014 erinnert.:

Wir erreichten gemeinsam die Eigentumswohnung von Wonkos Mutter gegen Mitternacht vom Freitag auf Samstag in Berlin. Nachdem wir unser Gepäck in die Zimmer abgelegt hatten, bat uns Wonko noch einmal zurück in den Flur, um uns die Innenseite der Wohnungstür anzuschauen. An ihr war ein verglaster Bilderrahmen mir der Titelseite der ‚Berliner Zeitung‘ vom 10. November 1989 angebracht. Für mich war dies ein sehr epischer Moment mit dem Gefühl von etwas Ehrfurcht, weil dort ein Stück Zeitgeschichte konserviert ist.
Ich ärgere mich gerade, dass ich damals mit meinem Smartphone kein Foto von der gerahmten Zeitung geschossen habe. Ich denke, dass bis auf einige Archive, die inzwischen fast 30 Jahre alte Ausgabe der BZ in den meisten Fällen ihren Weg zum Altpapier gegangen sind und allenfals wieder für neue Nachrichten und Storries recycelt wurden.

Aber es ist wichtig zu wissen, dass der 09. November nicht nur das Datum über das freudige Ereignis der Grenzöffnung zwischen der alten Bundesrepublik und DDR 1989 ist, sondern dass die Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 als Reichspogromnacht in die dunkle Geschichte Deutschlands eingegangen ist. Dabei wurden vom 07. bis 13. November etwa 800 Juden ermordet, 400 davon in der Nacht vom 9. auf den 10. November. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust mündete.

Links:
Die Berliner Mauer
Bornholm Straße (dt. Spielfilm 2014)
Freiheit statt Angst
Sonnenallee (Film, Wikipedia)
Helden wie wir (Film, Wikipedia)
Novemberpogrome 1938 (Wikipedia)

Eisgenüsse meiner Kindheit

In dem Geschichtspodcast „Zeitsprung“ haben sich Richard Hemmer und Daniel Meßner in der Folge ZS201 über die Geschichte des Speiseeis unterhalten. In dem Kommentarbereich habe ich dazu ein paar Sätze darüber geschrieben, wie ich als Kind in den späten 1980er und den ’90er die Angebote der Eisgenüsse am Ende der DDR und nach der Wende wahrgenommen habe.
Als Nachtrag muss ich einräumen, dass ich mir auch gar nicht sicher bin, wieviele – oder eigentlich wie wenige – Eissorten es in der DDR-Zeit gab. Auf jedenfall waren es die klassichen Sorten mit Schokoladen-, Erdbeer- und Vanillegeschmack. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich schon relativ früh Eis mit Pfefferminzgeschmack hatte. Nur kann ich mich nicht mehr daran erinnern, ob das vor oder nach dem Fall der Mauer war, und ob es das Milcheis als Kugelportion oder es sich um das Softeis dabei handelte. – Letzteres bestand und besteht auch heute aus mit Milch angefertigtem Eis, ist aber viel cremiger als Eis aus der Kelle.

Links:
Geschichtspodcastfolge Zeitsprung ZS201 – Die Geschichte des Speiseeis
Eiscafé de Gasperi in Frankfurt-Sindlingen (Online-Artikel der Frankfurter Rundschau, 21. April 2017)
Eiscafé San Remo in Erfurt

Von Datenträgern und mit Lochkarten betriebenen Waschmaschine

Nicht all zu selten kommt es in meiner Peer-Group zu einer Diskussion über alte Speichermedien. Dann kommt es auch schnell zu den Aussagen, wer mit welchen Medium seine Computerkarriere begonnen hat. Es fallen dann Sätze wie: „Mein erster PC besaß nur eine zwei Gigabyte große Festplatte.“ oder „Ich habe meine Daten auf eine Datasette einst speichern müssen.“ Je nach Alter und vielleicht dem Einstiegsalter hat also jeder etwas andere Erfahrungen.

Der erste PC, der bei uns zu Hause stand, hatte anno 1991 auch nur eine 50 Megabyte große Festplatte und besaß sowohl ein 3,5 als auch ein Diskettenlaufwerk für die etwas wabbeligeren 5,25 Zoll großen Disketten. Aber meine eigene Computerkarriere begann schliesslich schon vorher mit dem DDR-Heimcomputer KC 85/4 von Robotron. Da wir mit beginnenden Besitz des Gerätes allerdings keinen Radiorekorder hatten, mit dem die Programme auf eine Kompaktaudiokasette als Datasette gespeichert werden können, mussten als Dauerspeicher die netten alten 7 Zoll Tonbänder herhalten. Da die zugehörigen Tonbandgeräte üblicherweise im Hausgebrauch für den senkrechten Betrieb gebaut wurden, hatte dies ein bisschen den Charme von Rechenzentren der 1960er und ’70er Jahre, wo große Magnetbänder im professionellen EDV-Betrieb üblich waren.

Eine etwas andere Begegnung hatte ich dann während meiner Ausbildung. Im zweiten Lehrjahr absolvierte ich in einem Betrieb mein Praktikum, wo ich gelegentlich große Filtersäcke mit einer auch ziemlich großen Industriewaschmachine waschen musste. Aber in Gegensatz zu den üblichen Waschmaschinen, bei denen man das Waschprogramm mit Druckknöpfen und Drehwählern einstellte, musste man das bei dieser mit Lochkarten machen. Die Karten bestanden allerdings nicht wie aus der EDV bekannt, aus Karton oder Pappe, da diese natürlich in einer feuchten Umgebung relativ schnell durchgeweicht gewesen wären. Sondern bestanden aus einem etwas weichen und flexiblen Kunststoff, damit sie auch nicht so schnell durchbrechen konnten. Das ganze war circa im Jahre 2001/2002.

Update 04. April 2021, 22:44 Uhr:

In der WRINT-Folge WR1014 war der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk zu Gast und sprach mit Holger Klein über seine Jugend in der DDR anlässlich seines im August 2019 erschienen Buch „Die Übernahme: Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurden“ (ISBN 978-3-406-74020-6). Dabei erzählt er etwas beiläufig, dass in der DDR die Tonbänder nur unwesentliche teurer waren als die Audiokassetten, aber eine bessere Tonqualität besaßen.

Fasse dich kurz – Telefonieren in der DDR

Von Klingelfeen und Stöpselmiezen, eisernen Jungfrauen und Roten Telefonen, von ungewöhnlichen Telefonaten und gewagten Verbindungen. Das Fernsprechwesen – es entwickelt sich. Nur nicht so, wie Millionen DDR-Bürger es sich erhoffen. Auf ein Telefon warten manche länger als auf einen Trabi. Und viele bekommen nie eines. 1989 zählt man gerade elf Anschlüsse auf 100 Bürger. 95 Prozent der Ortsvermittlungstechnik tut schon seit 60 Jahren Dienst.

Die sonst so medaillenverliebte DDR hat hier eindeutig die rote Laterne. Am Anfang stöpseln noch die legendären Fräuleins vom Amt die raren Verbindungen, flicken wagehalsige Entstörer die blanken Leitungen, stehen Schlangen vor ewig kaputten Münzfernsprechern. Weil die Verbindungen der Post nie ausreichen, entstehen mindestens 23 nichtöffentliche Fernmeldenetze – für die Stasi, das Militär, die Kombinate …

Störungen im öffentlichen Netz stehen an der Tagesordnung und einheitliche Vorwahlnummern gibt es nicht. Doch wer endlich einen privaten Anschluss bekommt ist glücklich und nimmt auch in Kauf, den Anschluss mit bis zu vier „Teilnehmern“ zu teilen. Und mit gigantischem Aufwand hört dann manchmal auch die Stasi mit. Telefonieren in der DDR. Ein langer Weg vom „Fasse dich kurz“ bis zum „Ruf mal an“. Von der Stunde Null im Frühjahr 1945, als die Sieger die letzten Leitungen kappten, bis zu den Piratenstreichen der Wendezeit reicht der Bogen einer Geschichte, über der, wie überall in der DDR, der Satz steht: Not macht erfinderisch.

Leidgeprüfte „Teilnehmer“ oder solche, die es endlich werden wollten, gestandene Postler aus Mühlhausen, Leipzig und Dresden, der letzte Postminister, Günter Schabowski und viele andere berichten über große Probleme und kleine Schritte beim Telefonieren in der DDR.

Film von Jörg Mischke

Direktlink YouTube

Beim herumstöbern durch das Internet bin ich schon vor einigen Jahren auf diesen Radiomitschnitt der rbb-Jugendwelle Radio Fritz und dem Format Chaosradio gestossen. Das Thema der im Frühjahr 1997 ausgestrahlten Hörertalk-Sendung war Ost-Technologie im weitesten Sinne. Also hauptsächlich auch Computer und Telefonie. Hier berichtete ein Hörer über seine aktive Zeit als Telefontechniker in den letzten Jahren der DDR und den damit verbundenen Erfahrungen. Die Aussagen decken sich mit denen des Filmes, es gibt aber noch die eine oder andere lustige Anekdote.

Ausschnitt aus dem Chaosradio 16 – Ost-Technologie (30.04.1997, Radio Fritz)