Weitere Gedanken zu den DEC (Micro-) VAX Computern

In den letzten Monaten haben sich noch ein paar Gedanken zum Thema DEC (Micro-) VAX in meinem Kopf angesammelt, die ich als Nachtrag zu meiner Artikelserie ‚Emulation einer VAX mit SIMH‘ wenigstens auch noch einmal ausformuliert haben wollte.

Zum einen habe ich mal so etwas wie einen Benchmark durchgeführt, in dem ich die Zeit gemessen und verglichen habe, wie lange der Boot-Vorgang mit der emulierten MicroVAX 3800/3900 unter OpenVMS, Ultrix und NetBSD dauert.
Die Kriterien für den „Benchmark“ waren folgende:

  • In der Zeitmessung wird der Selbsttest der Firmware der Zentraleinheit mit dem RAM-Check, der nach dem Einschalten als erstes erfolgt, nicht berücksichtigt. Es wird also nur die Zeit ab dem Bootvorgang des Betriebssystems von der Festplatte bis zum Login-Prompt gemessen.
  • Bei allen drei Betriebssystemen wird keine grafische Benutzeroberfläche geladen. Der Login erfolgt nur auf der Kommandozeile.
  • OpenVMS wird in der letzten für die VAX-Architektur unterstützten Version 7.3 aus dem Jahr 2001 gebootet. (Open-) VMS war das Betriebssystem, welches für und mit der VAX-Architektur in den späten 1970er Jahren durch DEC in den Markt eingeführt wurde. Bei dem Bootvorgang wird auf das Starten von Systemhintergrunddiensten im Wesentlichen voll verzichtet. Es wurde auch kein Netzwerk in der Emulation eingerichtet. Kein DECnet, geschweige den TCP/IP.
  • Ultrix wird in der von DEC letzten veröffentlichten Version 4.5 ausgeführt. Diese erschien im Herbst 1995. Das Netzwerk wurde, soweit es mit den heutigen unter TCP/IP in Version 4 Standard noch kompatibel ist, statisch konfiguriert. Mit dem Bootvorgang werden auch die für Unix-typischen Standarddienste wie Cron, Accounting, Network und SNMPD gestartet.
  • NetBSD wird in der aktuellen Version 9.2 vom Mai 2021 ausgeführt. Als Dienste werden der DHCP-Client-Daemon, inetd, Cron, der Postfix und der SSH-Server während des Bootvorgangs gestartet. Allerdings wurden für den SSH-Server die Schlüssel bereits zuvor generiert. Eine Datenträgerüberprüfung mit fsck wurde aber vermieden.

Als wirklich arbeitsbereit kann hier nur die Installation von NetBSD angesehen werden. NetBSD ist außerdem das einzige Betriebssystem, welches für die VAX-Architektur noch weiter entwickelt wird, somit den heutigen Netzwerkstandards entspricht und dadurch auch moderne Entwicklungen im Bereich Betriebssysteme auf diese inzwischen historische Hardware-Plattform noch bringt. Hier sind nun die Ergebnisse.:

Betriebssystemmm:ss
OpenVMS00:31
Ultrix00:42
NetBSD05:05
Zeit für den Boot-Vorgang

Bevor ich nun die Ergebnisse interpretiere, will ich nochmals auf etwas eingehen, was für Software-Emulatoren wie der SIMH einer ist, gilt. Ein Software-Emulator ist ein Programm, welches einen Computer oder ein Betriebssystem nachbildet. Der größte Nachteil der Software-Emulation ist, dass sie eine hohe Rechenlast auf dem emulierenden System erzeugen. So können, selbst auf modernen Rechnern, zum Beispiel alte Spieleklassiker teilweise nicht flüssig laufen. Die Software-Entwicklung für solche Emulationen ist sehr aufwendig. In meiner Emulation der VAX-Architektur mit SIMH ist es jetzt aber so, dass die Rechenleistung so enorm ist, dass die Ausführung der Betriebssysteme in ihr deutlich schneller als auf der echten, originalen Hardware ist.

  • OpenVMS bootet von allen drei gemessenen Betriebssystemen im SIMH mit etwa 31 Sekunden am schnellsten. OpenVMS – oder ursprünglich nur VMS bezeichnet – wurde aber mit der Entwicklung der VAX-Architektur gleichzeitig mit entwickelt und war so immer auf diese optimiert.
  • Ultrix wurde durch DEC ab 1984 für die VAX-Architektur entwickelt und veröffentlicht. Unix galt in den 1980er Jahren prinzipiell als ein Betriebssystem, welches sehr viele Ressourcen in Anspruch nahm. Ultrix war nicht für alle Computern der VAX-Reihe verfügbar. Auf den Modellen, auf welchen es aber ausgeführt werden konnte, war es dennoch sehr langsam. Mit etwa 42 Sekunden bootet es in meiner Emulation verhältnismäßig schnell.
  • Die aktuelle Version von NetBSD benötigt für den Boot-Vorgang mit 5 Minuten und etwa 5 Sekunden verhältnismäßig extrem lange.

Wie gesagt, gelten die gemessenen Zeiten nur für meine SIMH-Emulationen und die Boot-Vorgänge kann man als wahnsinnig schnell erachten. Der Betreiber des YouTube-Kanals digital diggings präsentiert und führt ausschließlich auf seinen DEC-Rechnern der VAX-Architektur OpenVMS aus. Obwohl OpenVMS von der Ausführungsgeschwindigkeit das Betriebssystem mit der besten Performance ist, wird man beim Anschauen seiner Videos aber schnell feststellen, dass dieser bei der Wiedergabe seiner Aufnahmen, diese um ein bis zu 20facher Beschleunigung abspielt, damit die Wiedergabe für den Zuschauer sich nicht ganz so in die Ewigkeit hinzieht. Rechnet man die Abspielzeiten der beschleunigten Boot-Vorgänge für die einfachen Wiedergabegeschwindigkeiten hoch, so ist festzustellen, dass ein Boot-Vorgang selbst mit OpenVMS um ein Vielfaches als mein gemessener Wert überschreitet. Wie lange müssen dann die Boot-Vorgänge mit Ultrix und NetBSD dauern? 1 bis 1,5 Stunden bei NetBSD?

Links:


Über die Weihnachtsfeiertage habe ich mich mal bei YouTube mit ein paar Videos von Eisenbahnern berieseln lassen. Hauptsächlich kleine Dokumentationen, Aufnahmen von Modellbahnanlagen und Führerstandsmitfahrten. Dabei bin ich aber auch auf den YouTube-Kanal von Alwin Meschede gestoßen. So wie ich das von ihm verstanden habe, war er zu mindesten oder ist vielleicht noch selber als Triebfahrzeugführer tätig. Durch sein Studium der Betriebswirtschaftslehre kann ich mir durchaus vorstellen, dass er nicht mehr nur als reiner Lokführer tätig ist. Durch seine zahlreichen Videos, in denen es ihm weniger um Lokomotiven und Züge geht, sondern er beispielsweise eher über die unterschiedlichen Arten von Gleisbetten, Zugsicherungssystemen oder Gegebenheiten von Hochgeschwindigkeits-Neubaustrecken referiert, wird klar, dass er ein großes Fachwissen über das System Eisenbahn besitzt und über deren strukturelle Organisation in Deutschland sehr gut Bescheid weiß. So habe ich dann aus Neugier mir seinen zweiteiligen Vortrag über die Linienförmige Zugbeeinflussung LZB 100 angeschaut. Dabei schweift er bei dem Punkt über den Aufbau einer LZB 100 Steuerstelle ab und erwähnt, dass bei den LZB 72 Steuerstellen als Prozessrechner Computer der MicroVAX-Reihe zum Einsatz kamen, – wenn sie nicht noch bis heute weiterbetrieben werden.
Ab diesen Punkt kann ich mich noch gut erinnern, denn ich hatte im Sommer 2018 einmal die Gelegenheit, bei der DB Netz AG eine Betriebszentrale kurz zu besichtigen. Bei dem Rundgang dann durch den EMR-Schaltraum habe ich dann in einem Regal eine alte VAXstation entdeckt, die aber nicht mehr in Benutzung schien. Und nun habe ich auch verstanden, warum ich bei dem Rundgang durch die Betriebszentrale noch eine VAXstation antreffen konnte. Die Deutsche Bundesbahn hatte in den 1980er Jahren für der Projektierung der Linienförmige Zugbeeinflussung 72 (kurz LZB 72) Computer der Reihe MicroVAX als Prozessrechner in den Steuerstellen eingesetzt. Und so ist in der von mir besichtigten Betriebszentrale der Deutschen Bahn eine VAXstation noch übrig geblieben.

Links:


Und damit bin ich nun an dem Punkt, wo Computer der VAX-Reihe der Digital Equipment Corporation eingesetzt wurden.

  • Im Bereich Banken-/Versicherungswesen. (Hörensagen)
  • Andere Bereiche für Services.
  • Als Prozessrechner für die Linienförmige Zugbeeinflussung der Deutschen (Bundes-) Bahn.
  • In der chemischen Industrie als Mess- und Prozessrechner. Konkret bei einem früheren Arbeitgeber von mir. Den Computer selber habe ich nicht mehr zu Gesicht bekommen. In einem alten EMR-Schaltraum bin ich aber auf ein serielles Terminal vom Typ VT420 von DEC gestoßen. DEC hatte dieses Terminal-Modell im Jahr 1990 in den Markt eingeführt. Auf Nachfrage an die Kollegen der IT, berichteten diese mir, dass sie „vor kurzem“ erst noch alte klobige Festplatten in den Schrott entsorgt hatten. Ich konnte daraus entnehmen, dass die Festplatten wohl im Format 5,25″ volle Bauhöhe waren. Festplatten diesen Umfang wurden in der Regel in den Modellreihen MicroVAX und vielleicht auch VAXstation verbaut. Sicher bin ich mir bei letzterem da aber leider nicht hundertprozentig. Es ist eher nur eine Vermutung.

Links:


Zuletzt habe ich noch ein wenig in der Google-Bildersuche nach Fotos der MicroVAX I und MicroVAX II gestöbert. Dabei bin ich auf das MicroVAX II Museum gestoßen, dessen Betreiber des Blogs leider nirgendwo namentlich erwähnt wird. Eine E-Mail-Adresse als Kontakt konnte ich bisher bedauerlicherweise auch nicht ausfindig machen.
Wie aber der Name des Blogs nun schon verrät, beschäftigt sich dieses kleine Privatmuseum im Wesentlichen für den Erhalt von Computern der Modellreihe MicroVAX II. Es gibt aber auch Teile (als reine Ausstellungsobjekte) anderer VAX-Modelle. Die Highlights sind aber eindeutig die beiden funktionsfähigen MicroVAX II Computer Tarzan und Jane. Das wirklich Bemerkenswerte an den beiden aus den späten 1980er Jahren stammenden Computern ist aber, dass sie nicht mehr in ihren Originalgehäusen, sondern in wohnzimmertauglichen, schön anzusehenden und leisen PC-Gehäusen betrieben werden. Die Gehäuse sind moderne ATX-Gehäuse mit Plexiglas als Front und Seitenpartie, die beleuchtet sind. Die MicroVAX II Jane besitzt sogar ein LCD-Display mit einer Diagonale von 6,5″ und LED-Backlight. Die MicroVAX II Tarzan besitzt hingegen ein POS-VFD-RS232-Display, welches 2 × 20 Zeichen anzeigt und direkt an den Konsolenanschluss angeschlossen ist, um eine sehr genaue Zeit anzuzeigen, während auf der Maschine ein NTP-Server läuft. Es wurden zusätzlich noch die Festplatten gegen SD-Karten als Festspeicherlaufwerke ersetzt, die über SCSI2SD-Konverter am SCSI-Controller betrieben werden und über eine Speicherkapazität von 16 Gigabyte verfügen.

Links:

Emulation einer VAX mit SIMH: Bilder zu der Original-Hardware

Nun berichte ich in dieser Artikel-Serie über Hardware und zeige auf, welche Betriebssysteme sich auf dieser betreiben lässt, ohne selber einen eigenen visuellen Eindruck von ihr abgeben zu können. Um ehrlich zu sein, ich selber bin noch nie mit einem Computer, oder mit deren Peripherie, von der Digital Equipment Corporation in Berührung gekommen. Stattdessen hatte ich in den letzten rund 6 Jahren dreimal die Möglichkeit Zutritt zu Räumlichkeiten zu bekommen, wo jedes mal ein Stück DEC-Hardware im Begriff einzustauben war.

Die Erste war mit einem VT420 Terminal, welches die EMR-Technik eines seinerzeit bereits stillgelegtem Betriebes meiner alten Chemie-Firma noch herumstehen hatten. Der Kollege von der IT-Abteilung merkte dazu an, dass die dazugehörige Computer-Hardware bereits einige Monate zuvor verschrottet wurden. Im Juni 2015, keine ganzes Jahr später, besuchte ich mit Bekannten den Tag der offenen Tür bei der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt. Bei der Führung durch deren Inhouse betriebenen, kleinen Rechenzentrum, war in einer Ecke des Raums auf einem rollbaren Pult von mir wieder eine VT420 Terminal auszumachen. Auf meine Frage, ob denn das Terminal aus musealem Zweck abseits der deutlich moderneren Computer-Hardware da stehe, versicherte aber ein Angestellter, dass das Terminal ganz gut und gerne noch für die Konfigurations- und Wartungsarbeiten der Router und Switche genutzt wird. Vor zwei Jahren hatte man mir im Rahmen eines Vorstellungsgespräches bei einem großen, deutschen Transportunternehmen noch deren Betriebszentrale gezeigt. Dort stand dann auch noch eine vollständige VAXstation samt Monitor ungenutzt im Regal neben der anderen EMR- und Computertechnik.

DEC VT420 Serial Terminal
DEC VT420 Serial Terminal

Der amerikanische YouTuber TrackZero hatte vor gut zwei Monaten ein Video veröffentlicht, in dem er seine im Laufe des Jahres erstandene MicroVAX 3800 in Einzelteilen präsentiert und dann zusammenbaut.
In meinem Blog-Artikel zu der von mir mit SIMH zu emulierenden Hardware habe ich mich für die MicroVAX 3900 entschieden.
MicroVAX 3800 und MicroVAX 3900 wurden gemeinsam unter dem Code-Namen „Mayfair III“ 1989 als High-Ende-Modelle der MicroVAX-Familie durch DEC auf den Markt gebracht. Beide Computer sind im wesentlichen völlig identisch. Sie arbeiten beide mit dem gleichen KA655-CPU-Modul und unterstützten bis zu 64 MiB ECC-RAM. Die kleinere MicroVAX 3800 unterscheidet sich aber von ihrem größeren Schwester-Modell insofern, da sie nicht das mehr als 19″ breite, sondern ein kleineres auf Rollen beweglicheres Gehäuse besitzt. Dadurch konnte sie aber auch nur eine Festplatte mit einer Speicherkapazität von maximal 1,2 Gigabyte aufnehmen, währende die größere 3900 mit einer Festplatte von bis zu 1,5 Gigabyte Speicherkapazität ausgestattet werden konnte.

MicroVAX3900
MicroVAX3900 (Quelle: The NetBSD Foundation, VAX Hardware Reference: www.netbsd.org)
Quelle: YouTube-Kanal TrackZero

In einem später folgendem Video wird TrackZero noch seine nachträglich erstandene Video Card für seine VAX präsentieren. – Ich werde gespannt auf sein!

Links:

Emulation einer VAX mit SIMH

In meinem Blog-Artikel „Netzwerk-Bridge unter Linux mit TUN/TAP“ habe ich bereits geschrieben, dass ich einen Computer der VAX-Reihe des Herstellers Digital Equipment Corporation emulieren möchte, um ein wenig das ebenfalls ursprünglich von DEC entwickelte Betriebssystem OpenVMS ausprobieren zu können. Ich habe in dem Artikel auch erwähnt gehabt, dass ich das nach wie vor sich in der Weiterentwicklung befindliche Open-Source BSD-Unix NetBSD und das inzwischen historische, ebenfalls von DEC entwickelte, proprietäre Unix ULTRIX kurz in der mit SIMH emulierten Maschine zu installieren ausprobiert habe.

In einer Mini-Serie möchte ich nacheinander auf die drei einzelnen Betriebssysteme in der Emulation eingehen.

Links:
Netzwerk-Bridge unter Linux mit TUN/TAP (eigener Blog-Artikel)
Emulator SIMH des Computer History Simulation Projects (engl. Wikipedia)
Rechnerarchitektur Virtual Address eXtension der Digital Equipment Corporation (engl. Wikipedia)
NetBSD (engl. Wikipedia)
ULTRIX (engl. Wikipedia)
OpenVMS (engl. Wikipedia)